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Das Lesen, das Schreiben und die Schule verweigern

Schwungübungen nach Josefine Kramer




Koordinative Entwicklungsschwierigkeiten als Bausteine von LRS   

In der psychodiagnostischen Ermittlung von sogenannten „Lerndefiziten“ werden im Gutachten oft koordinative wie auch auditive Schwierigkeiten benannt.  
Der Frage, wie diese Schwierigkeiten entstanden sind und was sie bewirken, wird in der Psychologie wie in der Ergotherapie oft nicht beantwortet.

Die LRS- Diagnose hinterfragen

Jede LRS- Diagnose erhält die neutralisierende Wirkung, sobald wir beginnen, den koordinativen Schwierigkeiten des Kindes in ihrer Entstehung und Wirkung wie in den Funktionszusammenhängen auf den Grund zu gehen. 

Wenn die zum effektiven Lernen voraussetzenden wahrnehmungsbezogenen Grundlagen nicht ausreichend verinnerlicht wurden, wie können dann kognitive Prozesse umsetzbar (gelernt) werden? Fs* Beispiel verdeutlicht, wie seine Lernsituation unter diesen Bedingungen zu einer für alle Beteiligten unlösbar erscheinenden Krise führte.


Die Leistungsanforderung war immens hoch und seine kreativen Fähigkeiten, die ihn als mischerbigen Schüler dabei unterstützen, rationale und kognitive Denkprozesse vorzubereiten und  strukturieren zu können, wurden zunächst zu wenig angesprochen.  In der Folge verweigerte sich das Kind dem Lernen und der Schule, was als natürliche Grenzerfahrung zu verstehen ist.



 F,* 8 Jahre alt:
 „Schule und Lernen, das ist für mich absolut sinnlos!“

Die Anamnese

F* lernte ich im Alter von acht Jahren als Schüler der zweiten Klasse einer Berliner Grundschule kennen. Seine Schwierigkeiten im Erlernen des Lesens und in der legasthenischen Ausprägung des Schreibens schienen für seine Eltern und seine Lehrer unlösbar geworden zu sein, weil F* in der Umsetzung seiner Aufgaben sehr langsam vorging und lustlos und motivationslos geworden war.
F* träumte sich weg und flüchtete regelmäßig  in Krankheiten wie Bauch- und Kopfschmerzen.
Konflikte entstanden, weil allen Beteiligten die Übersicht über die zu Hause zu erledigenden Themen verloren. Das Lernen und die Bearbeitung der Aufgaben brachten Kämpfe mit sich, die für F* immer mit Tränen und Rückzug verbunden waren.

Im schulischen Lernen zeigten sich erste Lücken, weil der Abstand zwischen den Lernanforderungen und der individuellen Umsetzbarkeit immer größer wurde. Im ersten Interview beeindruckte F* mich mit seiner klaren Haltung: „Schule und Lernen, das ist für mich absolut sinnlos!“

Schwierigkeiten bestehen aus logischen Bausteinen (Moshé Feldenkrais) 

Unabhängig davon, dass jeder Neurologe bei der vorliegenden Schwungübung wohl die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde, vermittelt die Umsetzung des Musters Ihnen einen Ersteindruck dazu, wie F*  Buchstaben und Zahlen damals sah und verstand.

Die Ausrichtung seiner Sehorganisation entsprach in ihrem Reifungsprozess nicht den Anforderungen, die zur Aufnahme und Umetzung des schulischen Lernens erwartet wurden. Es bedeutete, dass F* in Lernverhältnissen angekommen war, die von ihm in seiner Struktur nicht erfasst werden konnten. Das Lernen war für ihn wirklich ein sinnloser Kraftakt geworden.

Wie lösten wir es?

Im Hirnleistungs- Lateralitäts- und Lerntraining gingen wir einfach einen Entwicklungsschritt zurück, sodass ich F* auf seiner noch nicht beendeten Entwicklungsstufe abholte. Hier motivierte ich ihn, das Schreibenlernen zurückzustellen und mir zu zeigen, wie er das Thema, das er schreiben sollte, zeichnen würde.
 F* fühlte sich in allen Aufgabenstellungen, in denen seine bildlichen und kreativen Fähigkeiten angesprochen wurden, wohl. Ohne Leistungsdruck skizzierte er verschiedene Themen bildhaft und begann von selbst damit, diese schriftsprachlich ab dem Zeitpunkt umzusetzen, zu sortieren und zu strukturieren, ab dem er sich darin sicher fühlte, weil er diese Stufe seiner Entwicklung nun gesichert und soweit verinnerlicht hatte, wie er es für sein Lernen benötigte.

In dieser Weise half ihm das Hirnleistungs- und Lerntraining dabei, sich in seinen kreativen Begabungsstärken der rechten Gehirnhälfte zu finden, seine Lateralisation seinen Fähigkeiten koordinativ anzupassen. F* lernte  gezielte Koordinationsübungen in  seinen Lern- und Entwicklungsprozess zu integrieren und damit seinem gehirngerechten Lernen einen gewaltigen Schritt näher zu kommen.


Die begleitende Eltern- und Lehrerarbeit sowie der Einbezug des Kinderarztes

Beim Kinderarzt setzte ich mich dafür ein, dass F.* zunächst ergotherapeutische Unterstützung erhielt, was seine sensorische Integration, also die Reifung und Verinnerlichung seiner sinnlichen Fähigkeiten beförderte. In der Schule gelang es, den Klassenlehrer dafür zu gewinnen, F.* mit kreativen Angeboten fächerübergreifend anzusprechen und ihn in seinen Stärken zu fördern. In dieser Weise gelang es F* für die Schule zu gewinnen. Seine Motivation stieg, weil er sich angesprochen und verstanden fühlte, was sich insgesamt gesehen leistungsstärkend auswirkte.





Weiterführende Links 

 

 

 





Dazu die Erfahrungen der *Mutter:

Unser Sohn wurde von Frau Rulis vor allem dahingehend unterstützt, dass Sie für alle Beteiligten den Druck heraus nahm, F* in seinen Stärken erkannte und förderte, aber auch den Gesamtzusammenhang in F*s Entwicklung überblickte. So gelang es mit Ihrer Hilfe auch den Kinderarzt zu überzeugen, Ergotherapie zu verordnen, die ein Jahr lang besucht wurde. Daneben waren wir insgesamt zwei Jahre einmal wöchntlich (ges. 20 Trainings) bei Frau Rulis zum Hirnleistungs- und Lerntraining. Außerdem wurde das Kind für ein Jahr in der zweiten Klasse zurückgestellt. Inzwischen, wir haben vor einem Jahr das Training beendet, ist unser Sohn ein guter Schüler in der vierten Klasse und geht auch relativ gerne zur Schule. Er lernt erstaunlich schnell, nur Rechtschreibung ist immer noch nicht sein Steckenpferd. 
Doch unser größter Erfolg ist, dass er sich nicht mehr sträubt, zu lernen. Inzwischen ist uns klar, dass unser Sohn bei seiner Einschulung in seiner gesamten Entwicklung noch nicht reif für die Schule war. Bei seiner Einschulung in 2010 war er erst fünf Jahre alt, wurde im Oktober sechs, was nach dem Berliner Schulgesetz, der schulärztlichen Untersuchung und der Kindergartenempfehlung als schulreif galt. Das war in unserem Falle ein großer Irrtum, die frühe Einschulung war ein Fehler, den wir nun vor allem auch Dank Frau Rulis beheben konnten. Wir haben nun am Ende der 4. Klasse noch etwas Respekt vor dem anstehenden Lehrerwechsel, doch momentan hat unser Kind sehr viel weniger Schulstress und mehr Freizeit, als in den ersten beiden Grundschuljahren. Auch das spricht dafür, dass es damals einfach zu früh für ihn war und er komplett überfordert war. Ohne Frau Rulis wären wir allerdings nur schwer aus dem Kreislauf von Überforderung, Frust und Lernverweigerung heraus gekommen.

* Name aus datenschutzrechlichen Gründen nicht benannt.