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Prävention in der Schuleingangsphase in 2017 an der Grundschule am Koppenplatz

Die präventive Förderdiagnostik in Klasse 1 im Jahrgang 2017 zur frühzei-tigen Erkennung von Entwicklungs-und Reifungsverzögerungen wie zu fördernden Begabungs-stärken 


Im Schuljahr 2017 erhielt ich als Begabungsbeauftragte der Grundschule am Koppen-
platz in enger Zusammenarbeit mit der damaligen Schulleiterin Frau Dr. Angela Thiele 
im Zuge der Präventionsmaßnahmen des Qualitätsmanagements die Chance, die Gruppe der eingeschulten Kinder dieses Jahrgangs in ihrern Begabungsstärken, wie in ihrem Reifungs-und Entwicklungsstand aufzunehmen.

Diese, Maßnahme half uns dabei,  genauer erfassen zu können, auf welchem Reifungs-und Entwicklungsstand das Kind in der Einschulungsphase ist. Damit gelang es, die darauf aufbauenden Förderbedarfe in Koordination mit der Lehrer-Erzieher-und-Elternarbeit von Beginn an inklusiv für das Kind und alle am Prozess beteiligten lerneffektiv umzusetzen. 

Diese Maßnahme des Qualitätsmanagements diente so der Verbesserung  der Lehre und des Lernens wie der Beobachtung von Stärken und Schwierigkeiten. Damit nahm ich die Kinder der Klasssen 1a bis 1d zu folgenden Kriterien auf:

  • Zur frühzeitigen Erkennung von Begabungsstärken 
  • Zur Einleitung der gezielten Begabungsförderung ab Klasse 1 
  • Zur frühzeitigen Erkennung der eingeschränkten Seh-und Hörkoordination
  • Zur Einleitung von individuellen Fördermaßnahmen innerhalb der Schule

Ergebnisse

Von 120 eingeschulten Kindern nahm ich 70 Kinder mit ausgewiesenen Förderbedarfen in den Klasse 1 a bis 1d auf. Hier gliederten sich folgende Fördermaßnahmen an:

Förderung der Seh-und-Hörkoordination

  • 42 Kinder erhielten die seh-und Hörfördernde Unterstützung in Form des  von mir konzipierten Hirnleistungstrainings unterrichtsbegleitend/ zu Hause, da ihre Seh-und Hörkoordination für sie noch nicht altersentsprechend ausgereift war.


Die augenärztliche Überprüfung der Sehfähigkeit

  • 28Kinder aus dieser Gruppe wiesen die nicht altersgerechte Sehentwicklung
     aus.
    Hier wurde die abklärende augenärztliche/und oder optometrische Untersu-
    chung empfohlen. Das Untersuchungsergebnis gliederte sich in die Förderung
    wie folgend ein:
  • 14 Kinder erhielten Sehhilfen und die damit verbunde individuelle Förderung
     in der Seh-und Hörkoordination im unterrichtsbegleitenden Training

Begabungsfrüherkennung inkl. der einleitenden Begabungsförderung

  • 28 Kinder wurden in ihren Begabungsstärken erkannt  und erhielten entspre-
    chend der von mir beobachteten und aufgenommenen Begabungsmerkmale die individuelle Förderung, in der sie in ihren Stärken angesprochen wurden und im Rahmen des Forschenden Lernens eigene Themen bearbeiten lernten.

Die Handmotorik

  • 30 Schülerinnen und Schüler dieser Gruppe benötigten Begleitung beim Erler-
    nen der Stifthaltung* zur frühzeitigen Vermeidung der Verinnerlichung des Faustgriffes*(s. Foto)

Auswertung

  • In der Stichprobe nahm ich 28 Kinder mit ausgewiesenen Begabungsstärken auf,
    die bis zum Schuleintritt noch nicht erkannt waren. Das entspricht  knapp 23% der Kohorte.
  • Die Gruppe der Kinder mit noch nicht altersentsprechender Seh-und Hörentwicklung betrug insgesamt 42 Kinder. 
    Weil die Seh-und Hörfähigkeit  in der vorbereitenden Schuluntersuchung meist nachrangig behandelt wird, erachteten wir es als sinnvoll, dieses aufzunehmen.
  • Weil ab der Einschulung wichtige Weichen für das weitere Lernen gestellt wer-den, unterstützte die präventive Aufnahme des kindl. Entwicklungsstandes die frühzeitige Erkennung von Alphabetisierungs-Lese- und Konzentrationsschwierig-keiten wie Aufmerk-samkeits-undTeilleistungsstörungen, sodass darauf aufbauend inklusive Fördermaßnahmen eingeleitet werden konnten. 

  • 30 Kinder benötigten Unterstützung beim Erlernen der Stifthaltung*. 
    Das Foto re. zeigt die unreife Stifthaltung mit dem Faustgriff als Ergebnis
    der noch nicht altersentsprechenden Differenzierung der Handmotorik.
    Erfahrungsgemäß ist es zur Vermeidung von Haltungsschäden hilfreich, das
    Kind sowohl in der Schul-und Elternarbeit zu Hause mit Trainingsmaßnahmen
    wie u.a. der Ergotherapie zu begleiten.

Im Zuge der präventiven Aufnahme des reifungs-und entwicklungspsychologischen Standes als Grundlage für jegliches Lernen war es notwendig, 70 von 120 Kindern ab Klasse 1 individuelle Förderung anzubieten. Damit war die Basis für die inklusive För-derberatungs-und Elternarbeit geschaffen, die das schulische Lernen individuell und ganzheitlich ergänzt.

Die Ergebnislage machte es  für alle Beteiligten möglich, den Reifungs-und Entwicklungs-verlauf der Kinder im fortlaufenden Schuljahr präziser zu beobachten, zu fördern und inklusiv zu begleiten. Als Nebeneffekt gestaltete sich die Binnendifferenzierung im Zuge 
der Prävention von selbst.

Perspektive

Die Ergebnisse belegen wie notwendig es ist, im Zuge des Qualitätsmanagements frühzeitige pädagogische Präventionsmaßnahmen einzuleiten.
 Das unterstützt  die gezielte Förderung des Kindes im schulischen Kontext, koordiniert die Bedarfe und fördert die pädagogische Beobachtungsfähigkeit darin, Stärken und Schwierigkeiten beim Kind verstehen zu lernen, diese fachlich einzuordnen, auswerten, 
zu begleiten und vor allem im Verlauf zu beobachten und dieses inklusiv im Team zu bearbeiten.
Die Beobachtung der Gruppe wies außerdem aus, dass lediglich 50 von 120 Kindern
dem schulischen Lernen entwicklungs-und altersgerecht begegnen konnten.

Die präventive Förderung beginnt in der Kita

Wenn wir das Erziehungs-und Förderungskonzept der Kita zukunftsfähig gestalten 
wollen, empfiehlt es sich, die hier beschriebenen pädagogischen Präventionsmaßnah-
men als Baustein in der Kitaförderung zu verankern. Die zukunftsfähige Binnendiffe-renzierung beginnt genau dort, wo wir das Kind erkennen und verstehen beginnen.

Die Aufnahme des Reifungs-und Entwicklungsstandes des Kindes liefert vielfältige Informationen, die für das weitere Beratungsvorgehen wie für die differenzierte Ansprache des Kindes in den Stärken tragend werden können und die erzieherische
 wie die pädagogische Arbeit auf ein solides, jeder Zeit überprüfbares Fundament
 stellen.

Langfristig lassen sich mit diesem Arbeitsschritt die Übergänge in der Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule für alle Beteiligten präzise und fließend gestalten, weil das Kind im Zentrum des Interesses steht. 

Damit einhergehend lassen sich Gesundheits-und Therapiekosten senken, weil  die Bedingungen für Lern- Aufmerksamkeits-Verhaltens-und Teilleistungsstörungen von Beginn an so balanciert werden, dass diese mit der begleitenden Aufarbeitung von Reifungs-und Entwicklungsrückständen die Lehre, das Lernen und die Freude daran für alle Beteiligten opimieren werden.

Als wichtigstes Kriterium möchte ich benennen, dass die frühzeitige präventive pädagogische Maßnahme hilft, pädagogische Missverständnisse und den Leidensweg,
den viele Kinder aufgrund unkorrekter Bewertungen erfahren, ins Positive verbesserbar werden.

Am weiterführenden Beispiel (s.u.) zeige ich auf, wie das Lernen zum Trauma werden kann, wenn  die Seh-und Hörverarbeitung nicht altersentsprechend entwickelt ist und
 in Kita, Lehre und Elternhaus nicht erkannt wird.

Schule als Trauma

KCR, 04/2005: Schreiben bei blockiertem Sehen und Hören

Das vorliegende Schriftbeispiel zeigt die Schrift von W,* der im Alter von 10 Jahren in der dritten Grundschulklasse sein Lesen, Schreiben und Rechnen kaum erlernte und so an der Schwelle zur Lernbehinderung stand.

Massive Lernschwierigkeiten, die sich nicht bessern

Die diagnostizierte Teilleistungsstörung (Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen), verbunden mit der Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS) und dem ADHS- Syndrom erzeugten als Diagnosen in der Schule und im Elternhaus Hilflosigkeit, sodass therapeutische Unterstützung erforderlich wurde.
Leider verbesserte sich W*s Situation nicht wesentlich: Die massiven Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen blieben trotz zahlreicher Therapieversuche bestehen.

Zu dem Zeitpunkt, an dem ich W* und seine Eltern kennenlernte, war ich die letzte Fachperson, die sie nach vielen Therapien mit verschiedenen erfolglos gebliebenen Ansätzen versuchten. Ws* Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen hatten sich nicht verbessert, sodass nicht nur seine Kräfte sondern auch die Kräfte seiner Eltern aufgebraucht waren. Wie gelang uns die Wende?

Reifungs- und Entwicklungsmerkmale spiegeln den Lernstand

Zu dem Zeitpunkt, an dem ich W* kennenlernte, war er in seiner gesamten Entwicklung im Alter von 10 Jahren auf dem Stand der Einschulungsphase.

  • Seine Schwierigkeiten entsprachen merkmalgetreu dem Diagnosemuster der Teilleistungsstörung. 
  • Der gezielte Einbezug der Seitigkeiten im Sehen, Hören und der Hand zeigte jedoch, dass dieses Kind nicht an seinen „gestörten“ sondern an seinen  „blockierten“ Fähigkeiten litt. 

Einige Merkmale:

  • Die unreifen Koordinationsmuster seiner  Seh- und Hörorganisation mit der Hand begrenzten den Aufbau seiner Fähigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen massivst.
  • Der Seitigkeitsfindungsprozess war im Alter von 10 Jahren ungenügend verinnerlicht.
  • Damit einhergehend: der ungleichmäßige Zugriff auf die Konzentrations- und Gedächtnisleistung.
  • Die damit einhergehende Reizoffenheit kompensierte W* mit hyperaktivem Verhalten und war so zappelig geworden, dass es ihm kaum gelang, auf dem Stuhl zu sitzen. 

Selbstwirksame Lernschritte mit dem unterrichtsbegleitenden Hirnleistungs- Lateralitäts- und Lerntraining  

Nach eingehender Pädagogischer Diagnostik gelang es, die bezeichneten Lernschwie-rigkeiten noch einmal umfassend in ihren Reifungs-Entwicklungs-und Lernzusammen-hängen aufzunehmen und  auszuwerten.

W*erhielt nach optometrischer Untersuchung eine Brille, wodurch sich seine Reiz-offenheit und seine Zappeligkeit sofort besserte. Im Hirnleistungstraining erarbeiteten wir kreuzende Bewegungsmuster und kurbelten damit seine bis dahin unreife Wahr-nehmungs- Lern- Bewegungs- und Entwicklungssitution an:

  • Der Schüler lernte seine Dominanzen/ Seitigkeitsbevorzugungen an sich wahrzunehmen und diese zunächst im Hirnleistungstraining zu trainieren.
  • In dem Maße, in dem W* sich und seine Seitigkeit fand, stabilisierte sich seine gesamte Situation: Seine Zappeligkeit bildete sich nach wenigen Trainings zurück.
  • Wir arbeiteten seinen Alphabetisierungsprozess auf. 
  • Es gelang ihm zunehmend, Erlerntes zu speichern und er freute sich, wenn er spürte, dass der Erlerntes nun besser behalten und anwenden lernte.
  • Die Aufnahme von schulischen Lerninhalten wurde für ihn nun nutzbar.
  • In dem Maße, in dem W* sich stabilisierte, nahm seine Eigenständigkeit zu und das Hirnleistungs- Lateralitäts- und Lerntraining ab.

Die Startphase des Trainings war sehr schwierig, denn das Kind identifizierte sich bereits mit dem Kanon der diagnostizierten Lernschwierigkeiten. Es ist Ws* Eltern zu verdanken, denn sie waren es, die  ihrem Kind im Selbsttraining zu Hause jegliche Unterstützung leisteten. Nur so gelang es,  dass die Schwierigkeiten irgendwann hinter den Stärken zurückblieben und diese sich entfalteten. 

Ws* bestandenes Abitur in 2015 erfüllt mich mit Dankbarkeit und großer Freude. 
 

 

Weiterführende Links zum Thema

 

- Der Seitigkeitsfindungsprozess, ein Lern- und Entwicklungsprozess
- Das Schielen
Lateralisation, was ist das?

KCR-08-17- Faustgriff im Schreiben*

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

07/2015: Fachabitur bestanden!

Hallo Frau Rulis,
 ich  habe vor kurzem mein Fachabi bestanden. 
Ich danke nochmal für die intensive Arbeit bei dir, es hat mich schon weitergebracht in meinem Leben. Vielleicht komme ich irgendwann nochmal auf dich zu. Um eventuell, mein Schreiben auf Links zu fokussieren. 
Ich werde ab September 2015 für 11 Monate nach Indien gehen. Ich mache ein IJFD-Jahr. In Indien werde ich hauptsächlich mit Obdachlosen zusammen arbeiten.  
Wie mein Plan danach aussieht, weiß ich nicht genau. Ich wollte studieren, aber es kann sich alles nach dem Jahr verändern. 
 
 Ich wünsche dir alles Gute! 
Lieben Gruß,

 
W*

 

07/2006: Die Meinung des Vaters ** 

Bereits im ersten Gespräch mit Frau Rulis wurden die unangenehmen Wahrheiten offenbar, jedoch hatte ich das Gefühl, dass W* hier genau an der„richtigen Stelle“ war.

Die Schulleistungen meines Sohnes waren zu diesem Zeitpunkt sehr schlecht, er konnte nicht richtig lesen, seine Rechtschreibung war katastrophal und mit dem Rechnen stand er ebenfalls auf Kriegsfuss.
Durch konsequentes Training mit Frau Rulis ist W* mittlerweile in der Lage, seine schulischen Aufgaben befriedigend zu bewältigen.

 Er ist selbstbewusst und wird, denke ich, seinen Weg gehen. Ich freue mich für W* über seine Erfolge und gebe ihm auch weiterhin die Hilfestellung, die er benötigt.

Die Namen werden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht veröffentlicht.**/*