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Christian Lillinger: Schlagzeuger, Komponist, Percussionist des Modern- Creative- Stils  einhergehend mit der Neuen Musik


„Ich lerne, Herausforderungen als Chancen anzunehmen!“


Fotografie:Andreas Zillner

 

 

 

 

 

Christian Lillinger wurde am 21.04.1984 als erstes von 2 Kindern in Lübben geboren und wuchs bei seinen Eltern auf. Familiäre Veränderungen wie mehrfache Umzüge und Schulwechsel begleiten Christians  Übergang von der Kita in die Grundschule ab seiner Einschulung im Jahr 1990.

„Funktionieren als Lernstrategie"

Die Wechsel von Schule und Wohnort gehen für ihn Startschwierigkeiten im Lernen, die während der Einschulungsphase beim Erwerb der Lese- und Rechtschreibkompetenz sichtbar werden, einher. Weil der Junge sein individuelles Lerntempo noch nicht differenzieren kann, gilt er als „zu langsam. 

Das sich hier ankündigende Drama des „begabten 
Kindes***" formuliert Christian rückblickend:
 „Schule war für mich ein Ort, an dem ich wie „unsichtbar" behandelt wurde, weil ich nicht gut „funktionieren" konnte."
Sich selbst überlassen zu sein bedeutet, das Selbst in allen Förderbelangen mit der zunehmenden Ausgrenzung im immer größer werdenden Abstand zu den Mitschülern und dem Lehr- und Lerngegenstand wahrzunehmen. 

Die schulischen Ergebnisse bewegen Christians Eltern, den Klavierunterricht zurückstellen und den Unterricht für das Schlagzeug zu preferieren. Vor diesem Hintergrund erhält Christian in seinem 13. Lebensjahr Schlagzeugunterricht.

 

Leiden am Lernen

Weder seine Lehrer noch seine Eltern bemerken seine überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft, seine hohe Motivation darin, die Situation verbessern zu wollen, wie sein Leiden an allem, was ihm nicht gelingt.
Ihm selbst hilft  die Einnahme der Position des „Beobachters“ dabei, sich in schwierigen Lebens- und Schulsituationen zu schützen. Rückzüge in kreative Wahrnehmungswelten eröffnen ihm Gestaltungsräume, in denen er seine Ideen, Gedanken und Gefühle meist zeichnerisch umsetzt.

Christian wird als eigensinnig, nicht lernbereit und schwierig verstanden. Wie zu erwarten, mündet die schulische Förderung in der Negativprognose und löst bei seinen Eltern Angst und Unsicherheit aus. Im September 2016 beantwortet Christians Mutter ihre damaligen Empfindungen im ZEIT Interview: „Er war für die ganze Familie eigentlich der kleine Trommler, aus dem nüscht wird." *

Hochbegabung als Baustein für Lern- und Findungsprozesse

Doch es kommt anders: Die Trommelstöcke werden zu Christians Medium und helfen ihm dabei, seine individuelle musikalische Sprache zu entdecken und sich selbst zu finden. Im Schlagzeugunterricht fällt seine musikalische Fähigkeit, sich schnell, treffsicher bei hoher Merkfähigkeit und überdurchschnittlich ausgeprägtem Gehör zu koordinieren, auf. 

Täglich übt er unabhängig von allen schulischen Niederlagen von sich aus fünf bis acht Stunden, mit rasanten Fortschritten. 1999 erhält er, im Alter von 15 Jahren an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ in Dresden am Tag der offenen Tür die Chance für ein Vorspiel.

Der Schlagzeuger Günter Baby Sommer erkennt, versteht, entdeckt und schätzt sein außergewöhnliches Potenzial sofort ein. Damit  ist die Wende für  Christian vor allem deshalb  eingeleitet, weil er in diesen Zusammenhängen erstmalig in seinen Stärken als Persönlichkeit wahrgenommen wird.


Mit Hilfe der besonderen Regelung im Land Sachsen wird Christian nach dem Mittleren Schulabschluss mit knapp 16 Jahren zum Frühstudium als jüngster Student seiner Fakultät zugelassen, weil Günter Sommer ihn an der Musikhochschule 
 als Mentor begleitet. 

Wichtige Etappen:    

  • 2000 bis 2004: Musikstudium an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ in Dresden mit der Bestnote im Abschluss. 

  • 2001- 2003: Mitglied im Bundesjugendjazzorchester 

  • bis 2015: Musikalische Präsenz in der Gruppe „Hyperactive Kid“ (Phillip Gropper, Ronny Graupe, Christian Lillinger) 

  • 2008: Gründung seiner eigenen Band „Grund“ wie später „Amok Amor“

Damit verbundene Würdigungen:

  • Im Jahr 2001 wird er Preisträger des „Leipziger Improvisationswettbewerbs“ des Jahres. 

  • Von August 2016 bis März 2017 ist er Stipendiat der Stiftung Bartels Fondation in Basel. 

Christian Lillinger ist als Musiker und Komponist viele Monate im Jahr „auf Tour." Er gibt Konzerte, Tourneen, Worshops wie internationale Gastvorlesungen. Seine Diskografie belegt, wie unermüdlich er parallel zu seinen öffentlichen Aktivitäten an seiner musikalischen Weiterentwicklung arbeitet. Hier liegen seit 2009 weit über 70 Veröffentlichungen auf Tonträgern vor. 

 

Die„eigenen Sinne" als Kreativitätspotential „Gegen den Beat"

Lillingers Werdegang zeigt auf, welcher wesentliche Anteil die bewusste Benutzung und die Schulung seiner „eigenen Sinne“(im Sinne Herman Hesses****) in seinem Schaffen ausmacht.

 In der prozessualen Auseinandersetzung bringt er sein musikalisches Handwerk mit vielfältigen Einflüssen aus
 Literatur, Philosophie, der bildenden Kunst wie den Gesellschaftswissenschaften  zusammen und transformiert diese musikalisch und kompositorisch. 

Dank des Rückhaltes seines Mentors generierte Christian
während seines Studiums hochwertige, individuelle Ergebnisse und arbeitete seine schulischen Lücken komplett auf.

Die Erkennung und Förderung seiner  ihm eigenen hohen Leistungsbereitschaft, seiner Zielstrebigkeit sowie seiner überdurchschnittlichen Motivation wäre für ihn in den ersten Schuljahren hilfreich gewesen. Seine musikalischen und psychomotorischen Begabungsfähigkeiten eigneten sich, um ihm mit seinen Stärken in der begabungorientierten schulischen Förderung zu vermitteln, wie seinen Schwierigkeiten mit den Stärken zu begegnen wäre.
 

 

 

Perspektive

 

Christian Lillinger erarbeitete sich in der musikalischen Vielfalt als Musiker und Komponist seit Beginn seines Musikstudiums im Jahre 2000 sein Alleinstellungsmerkmal.
Das lässt ihn unter allen bekannten Schlagzeuginterpreten weltweit herausragen. Die Hinwendung zur „Avantgarde Musik“ belegt die tiefe Verwurzelung in musikalischen Traditionen, deren Weiterentwicklung ihm zum Anliegen geworden ist. 


Seine Entwicklung verdeutlicht, wie er seine außergewöhnlichen Begabungen über die lange Zeit, in der er weder verstanden noch erkannt wurde und an seinen Schwierigkeiten litt, durchsetzte:  Christian arbeitete konsequent an sich und gab den Glauben an die Lösung der Schwierigkeiten niemals auf.


Vergessen ist für ihn nicht, wie es sich anfühlt, in seinem Denken und Fühlen nicht verstanden zu werden. Wie es sich anfühlt, Stigmatisierungen, Ungerechtigkeiten und Missverständnissen ausgeliefert zu sein. Deshalb ist er geeignet, junge Menschen mit hohen musikalischen Begabungen zu erkennen, zu verstehen und zu begleiten, so wie er selbst es erfuhr.


Indem Christian Lillinger lernte, Herausforderungen als Chancen und Lernanreize  zu begreifen, ebnete er sich den Weg, den er nun in der Meisterschaft mit seinem Instrument geht:  Herzlichen Glückwunsch zum SWR- Jazzpreis-2017! 
                                                 
©KCR-Berlin,12.04.2017

 

 

 



 

* ZEIT- Kultur, 26.09.2016, Interview mit Ulrich Stock
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Duden- Synonym, Ausgabe 2014
*** Miller, Alice: Das Drama des begabten Kindes, Suhrkamp, 2008
**** Hesse, Hermann: Eigensinn macht Spaß