. .

Lernen mit der Lehre


Philosophie zum Anfassen an der Anna- Lindh- Schule im Berliner Wedding
Oder:
Wo finde ich den perfekten Ort?

 Am heutigen Donnerstag darf ich in der Zeit von 12:45- 14:20 Uhr am Unterricht im Fach „Philosophieren mit Kindern“, in der Klasse 4 der Anna- Lindh- Schule im Berliner Wedding teilnehmen. Der Unterricht wird von Frau Kathrin Bach als Lehrerin einer Klasse mit Begabungsförderung an der Anna- Lindh- Grundschule angeboten.
Für Frau Bachs Unterrichtskonzept interessiere ich mich, weil ich vor meinem wissenschaftlichen Hintergrund als Lernforscherin nach entwicklungsbezogenen Lern- und Lehrkonzepten suche, die Kreativität und Begabungsstärken bei Kindern ab dem frühen Alter erkennen, verstehen und so fördern, dass sie im schulischen Kontext lerneffektiv für alle Beteiligten gestaltbar werden
.

 

Pädagogische und Psychologische Qualifikation

Die Ausbildung zur Multiplikatorin für den Unterricht im „Philosophieren mit Kindern“ absolvierte die Lehrerin bei der Karg- Stiftung. Die Karg- Stiftung finanzierte zudem den Ausbildungsgang und ist, indem sie bundesweit begabungsfördernde Angebote in Bildungseinrichtungen unterstützt, finanziert, fachlich begleitet und dokumentiert, in der nachhaltigen Wahrnehmung aller Belange für hochbegabte Persönlichkeiten seit 1989 hoch engagiert. 

Im Bezirk- Mitte kennen wir Frau Bach in ihrer doppelten Funktion, in der sie seit vielen Jahren in der Lehre an der Anna- Lindh- Schule und als Beratungslehrerin in der Schulpsychologischen Beratungsstelle in Berlin- Mitte tätig ist. Sie ist die Ansprechpartnerin für alle Kinder im Bezirk, die eine Förderberatung oder die testpsychologische Diagnostik suchen und ist dann gefragt, wenn es um schwierige und komplexe Lern- und Entwicklungsverhältnisse bei Kindern und vor allem bei besonders begabten Kindern geht.

Inzwischen bietet Frau Bach neben dem Unterricht im „Philosophieren mit Kindern“ für ihre Schüler auch Fortbildungen für interessierte KollegInnen aus dem Bezirk- Mitte an. Im Zentrum dieses Angebots steht die Reflektion der pädagogischen Haltung wie diese individuell zu erzielen. Dies geht einher mit der Schaffung von pädagogischen Entfaltungsräumen im Lernen wie im Lehren, in denen das Äußern der eigenen, freien Meinung wie den damit verbundenen Gedanken den „Pädagogischen Zeigefinger“ überflüssig macht.

Philosophieren mit Kindern, was ist das? 

Im Vorgespräch erfahre ich von der Lehrerin, dass ich hier ein inklusiv ausgerichtetes Unterrichtskonzept erwarten darf, bei dem nicht die philosophische Theorie oder deren Bearbeitung im Vordergrund steht sondern das Kind, das hier zum Akteur seiner Fragen Gefühle, Hoffnungen, Freuden und Schwierigkeiten wird. Sich im Denken üben bedeutet in diesem Fach das Zulassen eigener und anderer Gedanken, einander zuhören sowie das vorurteilsfreie miteinander Umgehen zu üben wie es gegenseitig zu reflektieren. Dazu Kathrin Bach: „Wir Erwachsenen haben das freie Anders denken oftmals verlernt, haben uns an gesellschaftliche Maßstäbe angepasst. Wenn wir unsere Kinder jedoch nicht allein lassen mit ihren Gedanken, ihnen die Möglichkeit des Andersdenkens geben, ist dies ein unschätzbares Rüstzeug für ihr Leben.”¹

Welche Kinder interessieren sich für Philosophie?

Langsam füllt sich der Klassenraum. Anders als ich es zu dieser Tageszeit erwartet hätte, beginnt der Unterricht ohne Stöhnen und ohne Murren. Frau Bach begrüßt jedes Kind persönlich und es vergehen nur wenige Minuten, bis wir mit unseren Stühlen einen Halbkreis gebildet haben. Am Unterricht nehmen heute insgesamt 13 Kinder teil, die Mehrzahl dieser Berliner Kinder stammt aus Familien mit ausländischen Wurzeln. Ebenso lerne ich hier Kinder kennen, die sich in unterschiedlichen Reifungsprozessen befinden und mir mit ihren individuellen Begabungsstärken auffallen, sodass dieser Unterricht Kinder mit Sprach- und Entwicklungsschwierigkeiten ebenso anspricht wie Kinder mit besonderen Begabungen und getesteten Hochbegabungen.
Besonders erfreulich empfinde ich die Inklusivität dieses Angebots an der Anna- Lindh- Schule, das sich von dem Förderangebot für Kinder mit getesteter Hochbegabung zum „offenen“ Angebot für alle Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 5 entwickelte. Deshalb ist das Philosophieren mit Kindern (PmK) für alle Kinder zugänglich, die sich in ihrer Grundschulzeit dem Kurs mit dem Titel „Gedankensammler“ anschließen möchten.  

Themenschwerpunkt des Tages: „Wo ist der perfekte Ort zum Wohnen?“  

Wir sprechen über die Geschichte: „Post vom Erdmännchen: Sicher leben heißt Zusammenleben.“ Die Kinder diskutieren über Formen des Zusammenlebens und wie sie diese in ihrem Zuhause, in ihrer Familie und in ihrem Freundeskreis empfinden. Die Frage: „Würdest du gerne alleine leben?“, oder: „Was bedeuten Regeln im Zusammenleben?“ mündet in einer kontroversen Diskussion mit unterschiedlichen Auffassungen. Als Zuhörerin nehme ich auf, wie klar und wie offen die Kinder sich und ihre Umwelt beobachten und dies sehr eindeutig formulieren können. In der Vertiefungsphase des Unterrichtes erhalten die Kinder die Aufgabe: „Überlege dir eine Reise an einen Ort und zu Menschen und gestalte dies in Form einer Postkarte.“ Schnell sind Blätter und Stifte vorbereitet.
Die SchülerInnen setzen ihre Ideen und Gedanken bildlich und schriftlich ebenso eindeutig um, wie sie vorab in den Diskussionsbeiträge besprochen wurden. Mir ist es erlaubt, die fertigen Postkarten zu fotografieren. Die daraus hervor gehenden Botschaften gehen ans Herz: „Liebe Mama, lieber Papa, es ist so doov, immer nerven die kleinen mich. Ich werde verreisen.“

KCR, 04/14: Wie sehen wir was wir sehen? II



Den Artikel finden Sie in leicht veränderter Version auf der Homepage der Anna- Lindh- Schule mit einem Klick hier


Manchmal  gleicht das, was ich in der Schule darüber erfahre, wie sie funktioniert, einem Mysterium. Und doch finde ich in der Schule auch öfter die hohe Kunst. Bei Kathrin Bach habe ich die hohe Kunst kennengelernt. Dafür ein großes Danke!
 
Weiterhin danke ich Marlies Best für die Begleitung durch die Anna- Lindh- Schule, der Kinder- und Jugendpsychiaterin
 Dr. med. Gerda Jun wie der Kindheitspädagogin Christiane Gebhardt fürs „Gegenlesen“ ebenso wie Herrn Patrick Zöller für die gestalterische Umsetzung des Artikels auf der Homepage der Anna- Lindh- Grundschule.